Patentverwerter unter Druck

US-Präsident Barack Obama will sich in den weltweit tobenden Krieg um Mobilfunkpatente einschalten. Das Weiße Haus plant mit schärferen Regeln gegen sogenannte Patenttrolle vorzugehen.

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Obama will Patentinhaber dazu zwingen, den Besitz ihrer Patente öffentlich bekannt zu machen Außerdem soll das US-Patentamt sogenannte Trivialpatente schärfer prüfen. Die zunehmende Nutzung der International Trade Commission (ITC) zur Klärung von Patentauseinandersetzungen will Obama ebenfalls eindämmen. Der US-Kongress müsste diesen Maßnahmen zustimmen.

In den USA sind in Patentprozessen besonders häufig Unternehmen involviert, die zwar technische Schutzrechte besitzen, aber nicht selbst produzieren. Solche Verwertungsgesellschaften, die allein das Ziel verfolgen, möglichst hohe Lizenzgebühren von vermeintlichen Verletzern ihrer Patente zu erpressen, werden allgemein als „Patenttrolle“ bezeichnet. Eine Reihe von Verwertungsgesellschaften, etwas die deutsche IPCom, wehrt sich jedoch seit Jahren gegen diese Stigmatisierung.

Das Pullacher Unternehmen des IP-Anwalts Bernhard Frohwitter prozessiert seit Jahren vor deutschen Gerichten gegen Nokia, HTC und andere Unternehmen, gestützt auf ein ehemals von Bosch entwickeltes Portfolio aus grundlegenden Mobilfunkpatenten (mehr…). IPCom, die auch vor US-Gerichten klagt, wäre von den neuen Obama-Regeln betroffen. In Deutschland hat die Zahl von Patentprozessen durch Verwertungsgesellschaften in den letzten fünf Jahren erheblich zugenommen. Kürzlich reichte etwa die US-Verwertungsgesellschaft Smartphone Technologies vor dem Landgericht Düsseldorf Klage gegen Apple, ZTE und Huawei ein. Solche Prozesse sind allerdings in den Staaten deutlich zahlreicher als hierzulande.

Nicht schmecken dürfte den Verwertungsgesellschaften auch ein richtungsweisendes und auf 207 Seiten begründetes Urteil, in dem sich James Robart vom District Court des Western District of Washington Ende April als erste Richter weltweit zur Höhe eines FRAND-Satzes äußerte. In einer Auseinandersetzung zwischen Motorola (Google) und Microsoft verurteilte er zwar den Software-Giganten wegen Patentverletzung, billigte aber Motorola statt der geforderten vier Milliarden nur gut zwei Millionen Dollar pro Jahr zu. In den Mobilfunkauseinandersetzungen um Standardessenzielle Patente (SEP) war bislang nur die Höhe des Lizenzsatzes umstritten. Auch deutsche Gerichte hatten sich bisher gescheut, hierzu konkrete Angaben zu machen. Sollte der niedrige Satz von Richter Robart allerdings Schule machen, könnte nicht nur das Geschäftsmodell von Verwertungsgesellschaften in Bedrängnis geraten, auch die großen Mobilfunkkonzerne dürften künftig weniger Einnahmen aus ihren Patentportfolios generieren.

Zur Abkühlung der Mobilfunkklagen in Europa hatte wenige Tage zuvor ein vielbeachteter Vorlagebeschluss des Düsseldorfer Landgerichts an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gesorgt. In diesem lässt das Gericht die Orange-Book-Entscheidung des Bundesgerichtshofs überprüfen, die sehr hohe Anforderungen an beklagte Unternehmen stellt, die den Zwangslizenz- oder Kartellrechtseinwand in Verletzungsprozessen um ein SEP geltend machen. Die deutschen Patentgerichte stehen derzeit zwischen der strengen BGH-Auffassung und der deutlich abgeschwächten Auffassung der Europäischen Kommission, wonach der Zwangslizenzeinwand bereits gilt, wenn das beklagte Unternehmen ein Lizenzangebot ohne konkrete Details unterbreitet (mehr…).

Über die Auswirkungen dieser aktuellen Entwicklungen in den Staaten und Deutschland für die Prozesse der Mobilfunkindustrie sind sich die Patentprozessexperten hierzulande derzeit uneins. Allgemein sehen sie zwar nach dem Düsseldorfer Vorlagebeschluss für deutsche Gerichte keinen Anlass mehr, aus einem SEP zu verurteilen, bis der EuGH darüber entschieden hat. Einigkeit besteht zudem, dass es zukünftig vermutlich sehr schwer wird, aus einem SEP einen Unterlassungstitel zu erlangen.

Ob allerdings der vom US-Richter Robart gesetzte Lizenzsatz eine Messlatte für deutsche Richter sein wird, beurteilen die Experten hierzulande sehr unterschiedlich. Die einen sehen in der Kombination aus fehlenden Unterlassungsansprüchen und sehr niedrigen Lizenzeinnahmen aus SEP bereits das Ende des Mobilfunkkrieges, weil künftig der wirtschaftliche Erfolg solcher Klagen fraglich sei. Andere wiederum prophezeien ein Andauern der Patentschlachten um Mobilfunkpatente. Die Patentportfolios der großen Mobilfunkunternehmen seien prall und zumeist mit nicht SEP gefüllt und der Druck der Unternehmen, diese wirtschaftlich zu verwerten, sei enorm, sagen Experten. Einige sehen vor allem in Robarts Urteil einen Warnschuss für alle Beteiligten. Der Wille der Gerichte, die Exzesse der Unternehmen in den ausufernden Patentklagen auf Kosten von Wettbewerbern und Verbrauchern einzudämmen, sei erkennbar. Eine Gesamtlösung der derzeit scheinbar uferlosen Schlacht um Mobilfunkpatente könne jedoch nur von Seiten der Politik erfolgen.

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